Wohnungsmarkt

1. Juli 2018

„Wohnungsführerschein“ unter der Lupe

Der sogenannte Wohnungsführerschein wird momentan in immer mehr Landkreisen als Lösung favorisiert, um die Unterbringung von geflüchteten Menschen in Wohnungen schneller zu realisieren. Oberhavel und Barnim erteilen ihn schon. In Teltow-Fläming und Ostprignitz-Ruppin steht er noch in der Entwicklungsphase. Mit dem Wohnungsführerschein sollen Menschen, die dieses freiwillige Angebot des Landkreises in Anspruch nehmen, auf das Leben in einer eigenen Wohnung „vorbereitet“ werden. Nach der Teilnahme an öffentlich finanzierten Veranstaltungen, in denen sie u.a. lernen, richtig zu lüften, zu heizen, Müll zu trennen oder kein Feuer in der Wohnung zu entzünden, bekommen sie als Teilnahmezeugnis den Wohnungsführerschein.

Die Antidiskriminierungsberatung Brandenburg (ADB) kritisiert den Wohnungsführerschein, weil er Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Vorschub leistet. Zwar ist die Informationsvermittlung zum Thema Wohnen sinnvoll. Problematisch wird es, wenn – wie derzeit im Fall des Wohnungsführerscheins – direkt oder indirekt nur Geflüchteten und ALG-II-Bezieher_innen zugeschrieben wird, diese Informationen zu brauchen, um eine Mietwohnung zu finden. Diese Unterstellung ist diskriminierend. Damit wird der Zugang zum Wohnungsmarkt zu Lasten dieser Menschen reguliert. Darüber hinaus wird der Wohnungsführerschein höchst gefährlich, wenn Vermieter_innen von Geflüchteten den Schein für die Vermietung verlangen oder inoffiziell als entscheidenden Faktor dafür nehmen. Im ersten Fall würden Vermieter_innen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, das mittelbare rassistische Diskriminierung verbietet. Im zweiten Fall wäre die gesetzwidrige Diskriminierung schwieriger aufzudecken. Der Wohnungsführerschein kann damit für viele geflüchtete Menschen, die aus welchem Grund auch immer, nicht an diesen Veranstaltungen teilnehmen, eine neue Barriere auf dem Wohnungsmarkt stellen.

Im Gespräch erklären einige Organisator_innen, dass der Wohnungsführerschein ein Entgegenkommen auf rassistische Vermieter_innen und Altnachbar_innen von Seite des Landkreises signalisieren solle. Die Anerkennung von Rassismus als Teil des Problems, ist sehr zu begrüßen. Aber in einer angespannten Wohnungsmarktsituation, in der viele Unterstützer_innen von Geflüchteten und Migrationsberatungsstellen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt bewusst nicht thematisieren, um sich die Chancen nicht zu verbauen, irgendeine Wohnung für einen Geflüchteten zu bekommen, sendet der Landkreis mit dem Wohnungsführerschein das falsche Signal. Denn damit werden die Menschen in ihren Vorurteilen gegen Geflüchtete bestätigt und den Betroffenen vermittelt nicht erwünscht zu sein. Der Begriff Wohnungsführerschein stellt zudem eine Analogie zum Autoführerschein her, der suggeriert, dass der Zugang zum Wohnungsmarkt bei einigen Bevölkerungsgruppen von einer staatlichen Institution geprüft und erteilt wird. Das führt zu einer zusätzlichen Stigmatisierung von Geflüchteten. Von Freiwilligkeit der Angebote kann zusätzlich auch nicht mehr die Rede sein, wenn Landkreisverantwortliche öffentlich erklären, dass damit Geflüchtete eher eine Wohnung erhalten sollen.

Der Wohnungsführerschein mag insoweit eine gut gemeinte Maßnahme sein, um geflüchtete Menschen in Wohnungen unterzubringen. Dennoch werden mit ihm Grund- und Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen und Stereotypen bekräftigt. Die Landkreise sollten von dieser Maßnahme absehen und den Fokus darauf legen, Druck auf mit rassistischen Vorurteilen behafteten Vermieter_innen auszuüben und die Gesellschaft gegen Rassismus zu sensibilisieren. Diese Position hat die ADB auch am 24. Mai vor dem Landesintegrationsbeirat vertreten.

Quelle: Nachrichten aus der ADB, Juli 2018