Fachstelle Antidiskriminierung

10 Impulse für eine Antidiskriminierungspolitik im Land Brandenburg

Diskriminierungserfahrungen sind für viele Menschen in unserer Gesellschaft eine Lebensrealität. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) haben 35,6 Prozent aller Menschen in Deutschland im Zeitraum von 2013 bis 2015 Diskriminierung erlebt – auf­grund ihres Ausse­hens, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer Sprache, ihres Lebensalters, ihres Geschlechts, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung / geschlechtlichen Identität. Diskriminierung betrifft somit nicht nur Angehörige ge­sellschaftlicher Randgruppen, sondern geht alle et­was an.

Gerade Menschen, die keiner Diskriminierung ausgesetzt sind, übersehen oft die persön­liche und gesellschaftliche Ausgrenzung, die für die Betroffenen mit dieser Benachteili­gung einher­gehen.

Diskriminierung verschlechtert u.a. die Chancen fähiger Bewerber*innen in Arbeit zu kom­men, einen angemessenen Lohn zu erhalten oder befördert zu werden. Diskriminie­rendes Mobbing am Arbeitsplatz und im Alltag kann zu körperlichen und psychischen Er­krankungen führen. Diskriminierung schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen, auf das unsere Demokratie angewiesen ist. Kurz: Diskri­minierung hat fatale Folgen für die konkrete wirtschaftliche und soziale Realität von Indi­viduen und der Gesellschaft als Ganzes.

 

Antidiskriminierungspolitik ist Menschenrechtspolitik.
Das Recht auf Gleichbehandlung ist national und international gesetzlich verankert.

 

In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung wird das Engagement gegen Dis­kriminierung immer wichtiger. Nur wenn das Recht auf Chancengleichheit und Partizipa­tion für alle Menschen in Brandenburg gleichermaßen sichergestellt ist, ist ein demokra­tisches Zu­sammenleben gewährleistet. Dafür braucht es Wissen über die Risiken von Diskriminierung in Politik und Mehrheits­gesellschaft, die Minimierung von institutioneller und struktureller Benachteiligung und die unab­hängige Unterstützung von betroffenen Personen.

Die Antidiskriminierungsberatung Brandenburg der Opferperspektive e.V. setzt sich seit 2009 für eine nachhaltige und wirksame Antidiskriminierungspolitik in Brandenburg ein und berät landesweit Betroffe­ne von rassistischer Diskriminierung.

 

Brandenburg braucht:

 

1. Brandenburg braucht ein Landesantidiskriminierungsgesetz

Ein wirksamer Diskriminierungsschutz braucht eine stabile und effektive rechtliche Grundlage. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das den Schutz vor Diskriminierung vor al­lem in den Bereichen Arbeit sowie Güter / Dienstleistungen regelt, war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Gleichzeitig bestehen relevante rechtliche Schutzlücken in zentralen Lebensbereichen, die in den Regelungsbereich der Länder fallen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Bildung und staatliches Handeln. Ein Landesantidiskriminie­rungsgesetz (LADG) kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei sind die Ergebnisse verschiedener Evaluationen des AGG und die daraus resultierenden Verbesserungsbedar­fe bezüglich u.a. Fristenregelung, Verbandsklagerecht, offene Merkmalsliste und einheitliche Schutzniveaus zu beachten.


2. Brandenburg braucht eine starke Landesstelle für Chancengleichheit und Antidiskriminierung

Brandenburg verfügt mit der Landesstelle für Chancengleichheit und Antidiskriminierung über eine Anlauf- und Beratungsstelle für von Diskriminierung betroffene Bürger*innen, die in die Referatsstrukturen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesund­heit eingebunden ist. Ihr Mandat umfasst die Informationsweitergabe über Rechte und Rechtsschutzmöglichkeiten, Unterstützung und Evaluation von Diskriminierungsvorkom­men und Schutzmaßnahmen. In 2018 war sie mit nur einer Personalstelle ausgestattet. Die Landesstelle für Chancengleichheit und Antidiskriminierung muss ausgebaut werden und ihre Arbeit mit angemessener Ausstattung, solider institutioneller An­bindung und umfangreichen Mandat fortführen können.


3. Brandenburg braucht eine flächendeckende Beratung und Unterstützung für Betroffene

Ein effektiver Diskriminierungsschutz braucht wohnortnahe, barrierefreie, unabhängige und professionelle Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen, die Diskriminierung erle­ben und ihr Recht auf Gleichbehandlung einfordern und durchsetzen wollen. In Branden­burg gibt es kaum staatlich finanzierte Beratungsstrukturen, die explizit den Auftrag ha­ben, diskriminierte Personen zu unterstützen und keine Angebote auf kommunaler Ebene. Brandenburg braucht in allen Landesteilen qualifizierte Antidiskriminierungs- und Beratungsangebote.


4. Brandenburg braucht Wissen über Diskriminierungsformen und -ausmaße

Für eine zielgerichtete Antidiskriminierungspolitik und -arbeit ist ein fundiertes empiri­sches Wissen über Diskriminierung unabdingbar. Für Brandenburg gibt es aktuell nur wenige Studien und / oder Statistiken, so können wichtige Fragen (Wo, in welcher Form und warum erleben Menschen in Brandenburg Diskriminierung? Welche diskriminieren­den Praxen und Strukturen existieren in konkreten Lebensbereichen wie Arbeit, Gesund­heit, Bildung, Behörden? Wie gut funktioniert der fak­tische Zugang zu einem rechtlichen Diskriminierungsschutz? uvm.) aktuell nur zum Teil beantwortet werden.


5. Brandenburg braucht eine diversitätsbewusste Landesverwaltung mit Vorbildfunktion

Gelebte Vielfalt zeigt sich auch darin, dass alle einen gleichberechtigten Zugang zu ge­sellschaftlichen Positionen und Stellen haben und sich die Bevölkerungsstruktur somit auch dort widerspiegelt. Als große Arbeitgeberin steht die Landesverwaltung Brandenburgs in der Verantwortung, hierauf proaktiv hinzuwirken und z.B. übergreifende Diversity-Main­streaming-Konzepte umzusetzen. Als große Arbeitgeberin ist die Brandenburgische Verwaltung ebenso für den effektiven Diskri­minierungsschutz ihrer Mitarbeiter*innen und für die Chancengleichheit von Bewerber*innen verantwortlich. So sollten AGG-Beschwerdestellen in allen Landesver­waltungen und -betrieben eingerichtet und ihre Arbeit evaluiert werden.


6. Brandenburg braucht eine wirksame Inklusion und Bildungsgerechtigkeit

Vielfalt im Klassenzimmer ist Ziel und Realität zugleich. Kinder mit unterschiedlichen so­zialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zugehörigkeiten und Zuschreibungen kommen während dieser prägenden Lebensphase zusammen. Wie sie diese Phase erleben, welche Möglichkeiten sie erhalten oder ihnen versagt bleiben, stellt die Weichen für ihr weiteres Leben. Die Landespolitik muss sich darum bemühen, den Bildungserfolg gleichermaßen und unabhängig von jeweiligen Hintergründen und Fähigkeiten zu garantieren. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass der Zugang zu Schule, Schulübergänge und Maßnahmen zur Förderbedarfsfestellung diskriminie­rungsfrei umgesetzt werden.


7. Brandenburg braucht eine Diskriminierungssensibilität in Justiz und Rechtsprechung

Icon: rechtliche BeratungDer rechtliche Diskriminierungsschutz bedarf der praktischen Umsetzung in der Recht­sprechung durch die Gerichte. In Fachdebatten wird immer wieder kritisiert, dass Rich­ter*innen als Gruppe „soziodemografisch nicht über die Erfahrungsbreite der Bevölke­rung verfügen“ (Prof. Dr. Susanne Baer, Bundesverfassungsrichterin) und dass eine grundlegende Sensibilität für die Themen Diskriminierung und Vielfalt kein fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sind. Demnach sind Maßnahmen vonnöten, die die Repräsentation ge­sellschaftlicher Vielfalt in der Richter*innenschaft vergrößern und die Auseinanderset­zung mit den Themen Vielfalt, Diskriminierung und rechtlicher Diskriminierungsschutz als Bestandteil der Richter*innenaus- und -weiterbildung verankern.


8. Brandenburg braucht eine Sensibilität der Landespolizei für Diskriminierung

Polizeibeamt*innen sind nicht frei davon, diskriminierende Zuschreibungen zu reprodu­zieren und sich in ihrem Handeln und Urteilen davon beeinflussen zu lassen. Aufgrund ih­rer wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben und ihrer besonderen Stellung ist eine Ausein­andersetzung mit dem Thema Diskriminierung und der eigenen Rolle für Polizist*innen besonders wichtig, insbesondere, weil sie häufig als Ansprechpartner*innen bei Diskri­minierung wahrgenommen und um Unterstützung gebeten werden. Ein Erlass des Ministeriums des Inneren vom 10. September 2014 enthält entsprechende Vorgaben für die Diskriminierungsfreiheit des Handelns und Auftretens der Brandenburgischen Polizei, muss aber kontinuierlich im Rahmen von Fortbildungen erweitert werden. Darüber hin­aus sollte die Diskriminierungsfreiheit des Handelns und Auftretens der Brandenburgi­schen Polizei evaluiert und aus den Ergebnissen Anpassungen für die entsprechende Brandenburgische Verordnung abgeleitet werden.


9. Brandenburg braucht die Förderung eines diskriminierungssensiblen und vielfaltsbewussten Kulturbetriebs

Kulturelle Einrichtungen haben die Möglichkeit, auf künstlerische und informative Weise gesellschaftliche Missstände und Diskriminierungen zu thematisieren. Gleichzeitig wer­den auch innerhalb des Kulturbetriebs diskriminierende Praxen reproduziert. Dazu ge­hört etwa, dass Menschen aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Filmen, auf Büh­nen oder in Museen personell wie thematisch unterrepräsentiert sind und / oder ihnen Zu­gangsmöglichkeiten fehlen. Gemeinsam mit den Kulturinstitutionen müssen Wege gefunden werden, marginalisierte Bevölkerungsgruppen in ihrer Personalstruktur angemessen ab­zubilden, ihre Perspektiven in den Angeboten und Inhalten zu repräsentieren und grup­penspezifische Zugangsbarrieren abzubauen.


10. Brandenburg braucht die Umsetzung der Antirassismus-Klausel der Landesverfassung

Mit der 2011 verabschiedeten Antirassismus-Klausel in der Landesverfassung Branden­burgs ist das Eintreten gegen Rassismus zu einem Staatsziel erklärt worden. Dafür braucht es weit gefasste Strategien gegen Rassismus, die neben der Bekämpfung von Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt ebenso Phänomene von Alltagsrassismus benennen und bekämpfen sowie die Entwicklung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für Rassismus und Diskriminierung fördern. Politische Akteure müssen ein breites ge­sellschaftliches Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung schaffen und eigene Maßnahmen gegen alle Formen von Rassismus entwickeln und umsetzen. Ein Bei­spiel wäre eine Enquete-Kommission zu „Ursachen und Formen von Rassismus und Dis­kriminierungen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“, ähnlich wie in Thüringen, um darauf aufbauend Hand­lungsempfehlungen für die Umsetzung zivilgesellschaftlicher und institutioneller Konzep­te zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Rassismus entwickeln zu können.


 

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